Idomeni

Idomeni, 23.April 2016. Tausende Menschen harrten seit 2 Monaten, ohne Schutz vor Kälte und Hitze, aus Protest und Verzweiflung, auf den Bahngleisen des einst verlassenen  Ortes Grenzortes Idomeni, zwischen Griechenland und Mazedonien, aus. Sie fühlten sich selbst verlassen. Von Griechenland, Europa und dem Rest der Welt.

Die UNHCR hatte inzwischen ein paar wenige Zelte aufgeschlagen. Ärzte von „Ärzte ohne Grenzen“ waren vor Ort. Es gab verschiedene Stellen um sich notdürftig zu waschen oder die Wäsche zu machen. Einige Flüchtlinge versuchten durch den Verkauf von Lebensmitteln Geld zu verdienen. Heiß gehandelt wurden Power Banks für Handys. Mit der Zeit ging den Menschen aber das Geld aus. NGO´s aus aller Welt versuchten sich einzubringen. Es wurde an verschiedenen Stellen essen gekocht und an die Menschen ausgegeben. In einer Art Supermarkt wurden gewisse Grundnahrungsmittel zu überteuerten Preisen angeboten, zum Beispiel eingelegte Sardinen oder abgepacktes Weißbrot und Getränke. Der ein oder andere machte hier sicher ein gutes Geschäft.

 

 

Eine syrische Frau mit Kopftuch spricht mich auf Englisch an. Kurzerhand lädt sie mich auf einen arabischen Kaffee in ihr Zelt ein. Es handelt sich um ein kleines Zelt. 14 Euro hatte die Familie dafür ausgegeben. Bei uns würde man es als 2-Personen-Zelt verkaufen. Die syrische Familie lebte hier bereits seit 2 Monaten. Noura, ihr Ehemann Adnan, 2 Jungs und ihr 8 Monate altes Baby.

Noura und ihre Familie stammen aus Latakia. Ihr Mann Adnan wurde vom Assad Regime ins Gefängnis gesteckt. Er zeigte mir seine Narben von Misshandlungen. Für 20.000 Euro konnte Noura ihn wieder freikaufen. Sie verkaufte dafür das Auto und das gemeinsame Haus. Jetzt besitzen sie nichts mehr. Für die Familie blieb nur noch die Flucht. Sie wollten ein neues Leben beginnen in Deutschland oder jedem anderen Land, dass sie menschenwürdig aufnimmt. Sie landeten in Idomeni. Die Kinder wurden krank durch die miserablen hygienischen Umstände im Lager. Noura war Lehrerin und die Bildung ihrer Kinder liegt ihr sehr am Herzen. Ihr Ehemann hatte eine Wechselstube in Syrien.

Die Mazedonier standen mit Panzer und Tränengas auf der anderen Seite des gewaltigen Grenzzauns. In der Vergangenheit haben die Mazedonier bewiesen, dass sie zur Not auch Gewalt anwenden. Noura erzählte mir, dass das Zeltlager stundenlang mit Tränengas und Blendgranaten beschossen wurde, es war, als würde es niemals enden. Sie zeigt uns ein Loch im Zelt, dass von diesem Tag stammte. Der Grund für diesen Angriff der mazedonischen Seite war ein Versuch einiger Flüchtlinge und Aktivisten den Grenzzaun niederzureißen.

Noura schickte ihren Sohn los um Tee zu holen. Zurück kam er mit  Plastikbechern voll warmen, gezuckerten Tee. Ich fragte, wo dieser herkommt, er zeigt auf ein größeres Zelt gegenüber. Offensichtlich hatten sich ein paar Freiwillige zusammengetan um täglich Tausende Liter Tee an die Gestrandeten zu verteilen.

 

 

Dieser junge Syrer hielt zwei weiße DIN A4 Blätter in der Hand und gestikulierte panisch vor mir. Es sah ganz so aus, als würde er in mir einen Menschen sehen, der ihm helfen könnte. Er sprach nur arabisch, doch nach einigen Erklärungsversuchen und Handzeichen wurde klar, seine Frau war im siebten Monat schwanger und sie brauchte einen Arzt. Im Laufe des Tages traf ich weitere drei mal auf den jungen Mann und immer wieder wollte er mir die Untersuchungsergebnisse seiner Frau zeigen.