The river is an ocean
Unter den gestrandeten Migranten in Libyen geht die Geschichte um, dass sie nur noch den grossen Fluss zwischen Afrika und Europa überqueren müssen um nach Italien zu gelangen. Eines Tages werden sie dann zusammen mit vielen weiteren hundert Menschen in ein Gummiboot gepfercht mit dem Hinweis in Richtung des Lichtes zu steuern, welches am Horizont aufleuchtet. Dort soll Europa sein. Was diese Menschen jedoch nicht wissen ist , dass das Licht eine Flamme der grossen Bohrinsel Bahr Essalam ist und sich 100km weit entfernt vor der libyschen Küste im Mittelmeer befindet. Es ist unmöglich diese mit einem der Gummiboote zu erreichen.
Ich war mit einem Rettungsboot der Nichtregierungsorganisation Sea-Eye an der libyschen Küste unterwegs um Schiffbrüchige mit Schwimmwesten auszustatten, so der Plan. Doch es kam alles ganz anders als gedacht. Wir waren insgesamt 9 Crew Mitglieder. Petra war für die Kommunikation beim anfahren der Flüchtlingsboote zuständig, Thomas der Kapitän, Olaf der RIB Bootfahrer, Ed der Arzt, Robert K. der Beobachter, Kalle und Karl-Heinz die Maschinisten und Robert R. war zusammen mit mir Deckhand. Zudem war jedes Mitglied für den Wachdienst auf der Brücke, zum putzen und in der Küche zum kochen eingeteilt.













An Board dies Holzbootes herrschten katastrophale Zustände. Das Boot hatte insgesamt drei Ebenen auf denen sich insgesamt 750 Menschen befanden. Einige peitschten mit ihren Ledergürteln auf die Leute ein, welche aus den unteren Decks nach oben kommen wollten. Denn wären alle nach oben gestürmt, wäre das Boot sicherlich gekippt. Die Iuventa und die Sea-Eye versuchten die Menschen so gut es ging abzubergen und auf Rettungsinseln als auch an Deck der Rettungsboote zu bringen. Nach einigen Stunden erreichte der Bundeswehr Tender RHEIN das Szenario und half uns mit zwei RIB Booten die verbliebenen Menschen zu bergen. Wir brachten dabei alle Menschen in Sicherheit. Wie durch ein Wunder gab es keine Leichen.






Moses aus dem Süden von Nigeria ist 19 Jahre alt und hat schon eine Menge durchgemacht. Seine Eltern haben ihn losgeschickt um für das Wohl der Familie zu sorgen. Es lastet ein riesen Druck auf ihm. In Nigeria hatte er keine Aussicht auf einen Job. In Europa will er durch harte Arbeit Geld verdienen, sparen und damit seine Familie unterstützen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben ist gross. Das wichtigste im Moment war für ihn aber erstmal das Überleben. Sein Fluchtweg führte ihn durch den Tschad nach Libyen. Dort musste er 16h täglich auf einer Baustelle arbeiten und durfte sein Haus nach Feierabend nicht verlassen. Für die Überfahrt auf dem Boot bezahlte er umgerechnet 1500 Euro. Für eine Schwimmweste die so gut wie nix taugt wurden nochmal ca. 300 Euro berechnet.
















Diese Mission hat mich an meine persönlichen Grenzen gebracht und ich habe viel über mich selbst und über andere gelernt. Sowohl beim fotografieren, als auch beim Umgang mit den vielen Menschen an Board, in Stresssituationen, beim Kampf gegen die Seekrankheit und den Schlafmangel und das Zurechtkommen im Team. Es war in jeder Hinsicht ein grosse Herausforderung. Da ich sowohl als Deckhand Bestandteil der Crew, als auch als Fotograf tätig war, war es immer ein schwieriger Balanceakt für mich um welche Arbeit ich mich im entscheidenden Moment kümmern sollte. Sobald aber Menschen vor mir in Lebensgefahr waren, stand natürlich die Rettung im Vordergrund, denn ansonsten hätte ich das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können.
“I know a few things to be true. I do not know where I am going, where I have come from is disappearing, I am unwelcome and my beauty is not beauty here. My body is burning with the shame of not belonging, my body is longing. I am the sin of memory and the absence of memory. I watch the news and my mouth becomes a sink full of blood. The lines, the forms, the people at the desks, the calling cards, the immigration officers, the looks on the street, the cold settling deep into my bones, the English classes at night, the distance I am from home. But Alhamdulilah all of this is better than the scent of a woman completely on fire, or a truckload of men, who look like my father pulling out my teeth and nails, or fourteen men between my legs, or a gun, or a promise, or a lie, or his name, or his manhood in my mouth.” – Warsan Shire